Sehr geehrter Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren im Rat,
sehr geehrte Vertreter der Presse,
sehr geehrte Besucher auf der Tribüne,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
„Alt ist man dann, wenn man an der Vergangenheiten mehr Freude hat, als an der Zukunft.“ (John Knittel, Schweizer Schriftsteller 1891 – 1970)
Nun, wieso komme ich nun mit diesem Zitat?
Während der Haushaltsklausur mit der Verwaltung wurde ich oft gefragt:
„Wie lange sind Sie eigentlich schon dabei und wie lange wollen Sie noch aktiv in der Politik bleiben?“
Diese Fragen werden hier wohl nur gestellt, wenn man etwas länger Politik betreibt. Manch einer erwähnte den Begriff Silberrücken, wen man damit wohl meint?
Als dann auch noch das Thema Generationsgerechtigkeit angesprochen wurde, sprich welche Lasten wir der nächsten Generation übergeben werden, sollten wir doch mal eine Rückschau halten, aus meiner Sicht.
Was war am 17. Januar 1985?
Die Älteren im Rat werden es noch wissen, ich war damals schon politisch aktiv.
Am 17. Januar 1985 wurde erstmalig in NRW Smog-Alarm im Ruhrgebiet ausgerufen. Industrien drosselten ihre Produktion und die Schulen fielen aus, Straßen wurden gesperrt.
In Bergkamen waren Kuhbach und Seseke noch Abwasserkloaken und der Bergmann heizte noch mit Koks und Kohle. Die City Bergkamen war damals schon eine Bauruine. Die Stadtkasse Bergkamens war leer und die Haushaltsplanberatungen gerieten in Diskussionen wie die Einsparungen abgemildert werden können. Thema: Haushaltssicherungskonzept. Das sind nur einige Punkte.
Als junger Mann in der Kommunalpolitik war es genauso wie heute, nicht einfach mit den damaligen Damen und Herren über Generationsgerechtigkeit und Umweltthemen zu diskutieren.
Viele, die damals mit den Verhältnissen unzufrieden waren, wurden politisch aktiv.
Die Debatten innerhalb und außerhalb der Parlamente verliefen teilweise hitzig.
Nun bald 30 Jahre später werden die gleichen Fragen gestellt wie damals. Thema Umwelt, Generationsgerechtigkeit und vor allem, was die Politik in den letzten Jahren gemacht hat oder sogar Dinge verschlief.
Aus der heutigen Sicht kann man so argumentieren. Mit dem Blickwinkel zurück sowieso.
Nun stehe ich hier und frage mich natürlich, was richtig oder falsch gelaufen ist. Ich stelle mir aber auch die Frage, wo waren den alle die, die alles anders oder besser wissen in den letzten Jahren?
Warum haben die Mahner von heute die Entscheidungen von gestern nicht beeinflusst? In der Demokratie ist Diskussion zu jeder Zeit möglich und wünschenswert. Bürgerbeteiligung und Gespräche mit Vereinen und Verbänden sind notwendig und wichtig. Verschiedene Meinungen anzuhören, um daraus selber eine Meinung zu bilden gehört zur Demokratie.
Wenn, wie bei Schönhausen, die Politik eine Bürgerbeteiligung zusagt, aber aus der Verwaltung nur eine Sitzungsvorlage ohne Bürgerbeteiligung vorgelegt wird, frage ich mich schon, was das sollte. Und alles auf Corona zu schieben geht gar nicht!
Heute scheint Politik aber nur interessant zu sein, wenn ich persönlich betroffen bin. Schade!
Und dann komme ich zum Haushalt.
Verwaltung und Rat sind der Meinung, dass dieser Haushalt aus heutiger Sicht der Beste für die Stadt Bergkamen ist. Wer hat all diese Vorhaben und Investitionen im Haushalt darauf überprüft, ob und wann wir in Bergkamen CO2 neutral sind? Haben sich die Mahner die Mühe gemacht, in diesen Haushalt hineinzusehen? Welche Fragen oder Hinweise wurden gegeben?
Mitnichten, nichts ist passiert.
Es werden ein Haushalt, und damit die Planung für die nächsten 2 Jahre, festgelegt. Und es gibt keinen Aufschrei, dass zu wenig getan wird im Bereich Umwelt, Klimaschutz oder sonstige Themen.
Keine Diskussion, ob die Erderwärmung noch auf 1,5 °C begrenzt werden kann.
Und dann kommen wir zu den Zahlen.
Wer erwartet hätte „neue Besen kehren gut“, der hat sich getäuscht. Der Bürgermeister führt nur fort was schon immer so war. Ein sehr uninspirierter, einfallsloser Haushalt.
Der Kämmerer Herr Ulrich und Bürgermeister Schäfer haben schön aufgelistet, welche Förderprogramme es gibt:
– Umsetzung des Kommunalinvestionsfördergesetz 2016-2021
– Umsetzung des Kommunalinvestionsfördergesetz 2019-2023
– Gute Schule 2020
– Digitalpakt Schule
– IGA Metropole
– Wasserstadt Aden
– ISEK (integriertes Stadtentwicklungskonzept)
Sicherlich alles gute und sinnvolle Programme an denen Bergkamen partizipiert, die wichtig und notwendig sind.
Dann noch der Umbau des Stadtmuseums und Neubau des Schwimmbades, nicht zu vergessen, welche schon im letzten Haushalt beschlossen worden sind, und nun weiter finanziert werden.
Rettungswachen müssen gebaut werden, weil der Rettungsplan nicht eingehalten werden kann.
Grundsteuern werden nicht erhöht, täte ich auch nicht als neuer Bürgermeister
Vielleicht ist das der Grund der Flut von Anträgen, weil die Ideen und Visionen im Haushalt fehlen, um unsere Stadt weiter zu bringen.
Natürlich sind auch die Risiken im Haushalt gleich – wie in den letzten Jahren. 42 Mio € Kassenkredite sind zu viel und die daraus resultierende Zinslast von 450.000 € bedeutet eine Gefahr für den Haushalt.
Und bei den Investitionskrediten ist dies ähnlich. Wie lange diese Geldpolitik der 0 %-Zinsen anhält vermag keiner zu sagen. Steigen die Zinsen könnten sie den Spielraum für die Stadtentwicklung schnell erdrücken.
Corona und die Gewerbesteuer sind weitere nicht abschätzbare Risiken. Ob die neue Ampelkoalition die Städte und Gemeinden mit ausreichend Mitteln ausstattet wird abzuwarten sein.
Man hat den Eindruck, Verwaltung reagiert nur. Aber das stimmt nicht ganz.
4,8 Mio € Spiel hat sie sich erarbeitet. Wie bringt man nun die Stadt am besten nach vorne mit diesem Geld? Sie und ich wissen es. Man kauft Anteile an der Unnaer Kreis-Bau- und Siedlungsgesellschaft, an der man sowieso schon beteiligt ist. Das nennt man kreativ. Vielleicht fehlt der UKBS aber auch einfach Fläche zur Entwicklung in Bergkamen. Wenn man unzufrieden mit der UKBS in den letzten Jahren war, was wir nicht sind, muss man die Frage stellen, was unsere Vertreter im Aufsichtsrat bisher taten und ob ein Sitz mehr in dem Gremium mehr Einfluss bringt. Ist es das wert? Wir meinen NEIN!
Oder wie beim Radwegbau! 500.000 € für einen unnötigen Ausbau am Westenhellweg. Auch dort gibt es sinnvollere Alternativen.
Um gestalterisch in der Stadt tätig zu werden, ist es notwendig, Zugriff auf Gebäude und Flächen zu erhalten. Schandflecken sind zu beseitigen und städtische Entwicklungen voranzutreiben. Auch hier werden intensive Beratungen erforderlich sein, zu entscheiden, was gekauft werden und dann auch, was damit geschehen soll.
Wir diskutieren über einen neuen Lebensmittel-Markt in Weddinghofen, suchen seit Jahren nach Gewerbeflächen, auch um örtliche Betriebe halten zu können und müssen noch über das 5 Standorte-Programm, wieder so eine Herausforderung, reden. Hier ist es notwendig endlich Handlungsspielraum zu erhalten.
Anders als bei dem Antrag der Grünen sollen die Flächen nicht für Aufforstung oder sonstige Renaturierungsmassnahmen verwendet werden. Hier ist anzumerken, dass einer der größten Grundstückbesitzer im Bergkamen der Kreis Unna ist, der seine Flächen naturnah betreibt. Eine zusätzliche städtische Entwicklung in diese Richtung ist nur hinderlich.
Nicht zufällig bieten wir eine Gegenfinanzierung an, was uns bei allen deren Fraktionen fehlt. Auch das gehört zur soliden Haushaltspolitik.
Verkehrspolitik
Nun, allen ist klar, dass eine andere Art von Verkehrsnutzung stattfinden muss. Wer darauf aus ist den PKW-Verkehr von Bergkamen zu verringern, sollte sich mal die Frage stellen, wieso ich 200.000 Menschen zusätzlich nach Bergkamen locke, ohne ordentliche ÖPNV Anbindung. 200.000 Menschen, die angebliche die IGA 2027 in Bergkamen besuchen wollen.
Nach weiteren Gespräche mit der NWL ist uns klar geworden, dass Bergkamen vorerst keinen Bahnhof erhält. Dies muss zwar weiterhin Ziel sein, aber bis dahin brauchen wir ein besseres Konzept, um Bergkamen an die große weite Welt anzubinden, sprich: die Bahnhöfe in Kamen, Hamm, Werne und Lünen müssen besser erreichbar sein. Darauf zielt unser ÖPNV-Antrag ab. Es ist schon kurios. Im Haushalt stehen 900.000 € Defizitabdeckung der VKU und so richtig zufrieden sind wir alle nicht. Daher lassen sie uns den Impuls geben neue Ansätze im ÖPNV zu entwickeln.
Den Sperrmüllantrag, später in der Tagesordnung, können wir gerne in dem nächsten Betriebsausschuss und Rat beraten.
Zu den Anträgen der anderen Fraktionen:
In den vielen Jahren zuvor habe ich es nicht erlebt, einen solchen Austausch unter den Fraktionen zu erfahren. Dies bedeutet nicht, dass jeder mit jedem gesprochen hat, und auch nicht, dass alles mitgetragen wird, aber ich möchte mich hier für die offenen Gespräche bedanken.
Dem vielen „klein, klein“ stimmen wir nicht zu.
Insbesondere die Anträge zum Thema Klima sind unsere Meinung nicht zielführend. Wichtiger ist es, dass der Klimamanager es schafft durch Aufklärung einen Sinneswandel herbei zu führen.
Ebenso ist es richtig und wichtig, asphaltierte und beleuchtete Radwege herzustellen. Nur im Verbund ÖPNV-Radwegenetz ist eine Veränderung des Nutzungsverhaltens möglich. Stellen Sie sich vor, in 4 Jahren kommen alle hier im Saal mit Rad oder Bus, das wäre doch was.
Die Anträge Bürgerbus, E-Mobilität findet unsere Unterstützung, um die Verkehrswende einzuleiten. Aufgrund der Vielzahl der Anträge werde ich keine weiteren Erläuterungen geben, bin aber gerne bereit im Nachgang zur Sitzung im persönlichen Gespräch unsere Haltung zu erläutern.
Und dann noch eine grundsätzliche Anmerkung. Einige Anträge wurden schon vor 2 Jahren gestellt.
Jeder Fraktion steht es natürlich frei, diese nochmal zu stellen. Eine wiederkehrende Erläuterung spare ich mir.
Wovon ich allerdings ausgehe ist, dass Beschlüsse z.B. Jugendzentrum in Mitte, nicht wieder beschlossen werden müssen. Auch wenn die Verwaltung die Anträge mancher Fraktionen vielleicht nicht so wichtig nimmt, ist es demokratisches Verständnis, bei Mehrheiten diese auch umzusetzen.
Erst bei nachvollziehbaren Gründen ist ggfs. von Entscheidungen des Rates abzuweichen.
Zum Abschluss noch Anmerkungen zum Stellenplan.
Insbesondere bei der Fülle von Fördergeldern es ist aufgefallen, dass im Bauamt viele Maßnahmen nicht umgesetzt worden sind. Sei es eine neue Feuerwehrwache, Umbau und Sanierung von Schulen, usw. Die Personaldecke war zu dünn.
Umso erfreulicher ist, dass 2 neue Stellen geschaffen worden sind. 2 neue Stellen für die IGA. Und da stellt sich die Frage: Gibt es nichts Notwendigeres? Sind das die Schwerpunkte die wir setzen?
Zurück zu meinem Anfang der Rede:
Alt ist man dann, wenn man an der Vergangenheiten mehr Freude hat, als an der Zukunft.
Wir, die CDU und ich, freuen uns auf die nächsten Jahre intensiver Diskussionen mit Ihnen zum Wohle unserer Stadt.
Bleiben Sie und Ihre Familie gesund. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Rede des CDU-Fraktionsvorsitzenden Thomas Heinzel zum Doppelhaushalt 2022-2023 der Stadt Bergkamen am 25.11.2021 im Ratssaal. Es gilt das gesprochene Wort.
Titelbild: Stephan Wehmeier/CDU